Kurz und knackig: Die Flimmerkiste April Teil 1

So ein Flegel (1934)

Heinz Rühmann in einer Doppelrolle. Technisch elegant gelöst. Narrativ gut aufgebaut. Eine gelungene Verwechslungskomödie mit beidseitigem Happy End. Die Feuerzangenbowle, die auf der gleichen literarischen Vorlage beruht, ist jedoch um Längen besser. Insbesondere weil Rühmann dort die gleiche Rolle – den Primaner Pfeiffer – sehr viel intensiver charakterisiert und der Film auch mehr Wortwitz bietet, der hier nur in Ansätzen erkennbar ist.

Die Ratten (1955)

Robert Siodmaks Dekonstruktion einer vorgegaukelten heilen Welt: Ein Ehepaar kann keine Kinder kriegen. Eine abgebrannte und verzweifelte Frau möchte ihr Kind nicht kriegen. Gegen Bezahlung wird das Kind an die Ehefrau übergeben, womit im weiteren Verlauf die leibliche Mutter nicht klar kommt und revoltiert. Das ‚Problem‘ soll aus der Welt geschafft werden. Die Ratten ist stellenweise sehr dreckig, nicht nur visuell, sondern vor allem in der Charakterzeichnung. Alle sind in gewisser Weise schuldig und tragen ihre Konflikte auf dem Rücken eines Neugeborenen aus. Schauspielerisch ein gelungenes Experiment, narrativ ein wenig zu oberflächlich, um dem Thema überhaupt gerecht zu werden.

Spring (2014)

Technisch ist der Film ein Gewirr aus harten, abrupten Schnitten und gewollt dokumentarischer Wackelkamera auf der einen und ruhigen, melancholisch-verspielten Bildern auf der anderen Seite. Das erzielt nicht immer die beabsichtigte Wirkung. Spring glänzt aber anderweitig: Mit den sympathischen, extrem gut geschriebenen Figuren! Sowohl Lou Taylor Pucci als Evan als auch Nadia Hilker als Louise sind bezaubernd in ihrer Natürlichkeit. Man kommt nicht umhin, beide Figuren sofort als eigene Freunde haben zu wollen. Und dann die Geschichte: Klingt nach Liebesfilm, fühlt sich auch so an und ist es im Endeffekt auch. Aber: Eine definitiv etwas andere Lovestory! Sehenswertes filmisches Kleinod.

The two faces of January (2014)

Tolle Besetzung: Viggo Mortensen ist undurchschaubar. Mal herzallerliebst seiner Frau gegenüber, dann wieder unberechenbar aggressiv in seinem ganzen Gebaren. Kirsten Dunst spielt die Ehefrau mit einer Mischung aus verträumt-wahrer Zuneigung und hässlich nach außen gekehrter Abneigung. Und dann ist da noch Oscar Isaac, dessen Motive erst nicht so ganz klar sind und irgendwie am Ende auch zu einfach gelöst werden, der aber eine Präsenz aufbaut, die ständig grübeln lässt, wohin seine Aktionen führen sollen. Schöne Optik mit viel Hell-Dunkel-Kontrast und herrlichen Bildern griechischer Urbanität, die doch immer auch archaisch geprägt ist. Ein wenig wie die Handlungen der Protagonisten selbst. Und wenn mir jetzt noch irgendwer sagen könnte, was es mit dem Filmtitel auf sich hat, wäre ich wahrscheinlich sogar rundum zufrieden.

Divergent (2014)

Teil 1 der dystopischen Erzählung macht soweit alles richtig. Die Einführung der Prota- und Antagonisten mit Konfliktanbahnung passt. Shailene Woodley kommt zu Beginn sehr zerbrechlich rüber (was sie schon mal stark von der Heldin im Panem-Kosmos unterscheidet), kann sich aber im Verlauf gut frei spielen. Mehr Probleme habe ich mit ‚Sidekick‘ und Love Interest Theo James. Dessen Figur gefällt mir so gar nicht. Da ist noch Luft nach oben. Visuell ansprechend: Ein schön abgewracktes Setting mit Chicagoer Skyline. Die Idee der Fraktionen finde ich spannend. Vor allem unter der historischen Prämisse von Familie und deren Relevanz. Darf gern so weitergehen.

Und auf der großen Flimmerleinwand verinnerlicht:

10 Cloverfield Lane (2016)

Was ein Film! Ein Thriller im Kammerspiel-Gewand mit zwei überragend agierenden Spielern: John Goodman changiert zwischen liebevollem Knuddelbär mit Papa-Anleihen und schwer gestörtem Psychowrack. Und switcht innerhalb von Sekunden. Mary Elizabeth Winstead verkörpert die skeptische, aufbegehrende und extrem gewitzt-einfallsreiche Michelle mit viel Verve. Beide sind grandios anzuschauen. Die Spannung und Anspannung in den beengten Verhältnissen des Bunkers ist förmlich zu spüren. Man folgt gebannt der Handlung und bekommt dann am Ende noch diesen letzten Schlag ins Gesicht, um irgendwie aufzuwachen aus dieser klaustrophobischen Trance ringsum. Ansehen!

Sowie dann doch noch in der letzten Vorstellung, aber dafür sogar als Originalversion, den folgenden Film. Leider muss ich hier ein wenig spoilern, daher bitte nur lesen, sofern schon gesehen.

Room (2016)

Welt = Raum. Der Rest ist Weltraum. Jack kennt es nicht anders, lebt er doch seit seiner Geburt in diesem einen Raum. Room ist in seiner ersten Stunde brachial offen, schonungslos emotional, beklemmend ernst, aber auch ein paar Momente lang optimistisch lebensbejahend. Sowohl Brie Larson als auch Jacob Tremblay verkörpern den Raum als Welt in einer Unmittelbarkeit, die zu Herzen geht. Die Jack-Ego-Perspektive lässt uns das eigentlich grausig-perfide an der Geschichte mit den Augen eines unschuldigen Kindes beobachten und macht es dadurch ein Stück weit erträglicher, ohne den Klos im Hals jemals gänzlich zu vergessen. Das der zweite Teil der Handlung die psychischen Folgen der jahrelangen Gefangenschaft thematisiert (und ein versöhnliches Ende skizziert) ist plausibel – allerdings zu lang – erzählt. Der Horror der ersten Hälfte hätte mit einer längeren Verweildauer in diesem engen Setting noch intensiver sein können. Aber vielleicht wollte man dies dem Zuschauer auch nicht wirklich antun. Room ist harter Tobak und definitiv nichts für einen entspannt-gemütlichen Filmabend.

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7 Antworten zu Kurz und knackig: Die Flimmerkiste April Teil 1

  1. bullion schreibt:

    Davon kenne ich nur „Divergent“, den ich bestenfalls mittelmäßig fand. Und das ist wahrscheinlich schon mehr Lob als er verdient.

  2. Nummer Neun schreibt:

    Divergent fand ich auch ganz ordentlich, Spring dagegen leider nicht ganz so. Aber es stimmt, die Figuren waren wirklich sehr sympathisch und der Kleinstadtflair gut! Kleinod wäre mir etwas übertrieben 😉

    Raum fand ich auch richtig gut! Zwar war der zweite Teil, wie du ja schreibst, vielleicht etwas zu lang – aber insgesamt sehr eindrucksvoll und bleibt lange im Kopf.

  3. Cathrin Rubin schreibt:

    Wobei man sagen muss, dass Katniss Everdeen in den Bücher auch erstmal schüchtern ist. Das kommt im Film nur nicht so ganz rüber. „Divergent“ hat mir besser gefallen als die Tribute, da ich die Bücher einfach nicht kenne und daher total überrascht werden konnte. Die Überraschung hat mir bei den Panem-Filmen gefehlt und die Bücher waren auch einfach zu gut. Aber ich werde jetzt die Divergent-Bücher lesen. Mal sehen wie sich dann meine Meinung verändert 😉

  4. donpozuelo schreibt:

    „10 Cloverfield Lane“ fand ich auch echt super. Da bin ich echt gespannt, wie sie das weiterführen. Es sollen ja keine üblichen Fortsetzungen werden mit den immer gleichen Charakteren, sondern halt andere Filme, andere Charaktere in dem gleichen „Universum“. Das könnte endlich mal ein Franchise sein, das wirklich überrascht.

    Bei „Room“ stimme ich dir auch zu. Der war wirklich heftig.

    • Stepnwolf schreibt:

      Wie meinte ein Freund von mir: Cloverfield wird ein Science Fiction Franchise ohne Science Fiction. 😉 Bisher hat ja jeder Film eigentlich ein ganz anderes Genre bedient…

  5. Pingback: Die 5 BESTEN am DONNERSTAG #26 | Weltall. Erde. Mensch…und Ich.

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