Filmfest
Wie weit würde eine Bewegung gehen, um die eigene Ideologie in der breiten Öffentlichkeit zur Akzeptanz zu verhelfen? Welche Mittel und Wege schlüge eine solche Bewegung in Zeiten von allmächtiger medialer Präsenz ein? Diese und ein paar andere Fragen wirft Je suis Karl auf und regt damit zum Nachdenken an. Allerdings ist die um das Thema gesponnene Geschichte nur teilweise auf dem Niveau der aufgeworfenen Fragen, was der etwas sprunghaften Erzählung und dem mitunter naiven Vorgehen der Protagonistin geschuldet ist. Und weniger an den Schauspielern selbst (Jannis Niewöhner und Luna Wedler funktionieren in Kombination ganz gut) als am Drehbuch liegt. Hier sollte zu viel Information in zu kurzer Zeit vermittelt werden. Eine konzentriertere Handlung hätte der Kernaussage noch mehr Gewicht verleihen können. So steht der relevanten Thematik leider ein wackliges Erzählkonstrukt im Wege.
Es ist ein Gerard Butler Film! Reicht das eigentlich als Beschreibung, um Kandahar als Werk einzuschätzen? Wahrscheinlich ja. Aber ein, zwei Worte gehen noch: Agent operiert in diversen kriegsgeplagten, vorrangig muslimischen Gebieten dieser Erde, trifft auf verschiedene Konfliktparteien und muss aufgrund einer Ausnahmesituation den Präsidenten, ääääh, sorry, einen einheimischen Freund retten. Natürlich mit viel Action und Knallbumm. Alle Figuren sind stereotypisch gezeichnet, zu keinem baut sich eine emotionale Bindung auf, ihr Ableben tangiert den Zuschauer daher nicht einmal semiperipher. Ein Gerard Butler Film halt!
Macht auch in der zweiten Sichtung noch so viel Spaß wie beim ersten Mal. Greta Gerwigs Barbie wirkt naiv, wird aber sehr schnell zur emanzipatorischen Blaupause einer modernen Welt. Margot Robbie und Ryan Gosling funktionieren als Barbie und Ken ausnahmslos gut. Und auch wenn sich einige Szenen als Slapstick over the Top anbiedern (insbesondere die Momente mit den Mattel-Verantwortlichen), wirkt der Film trotz Pinklastigkeit zu keiner Zeit kitschig-kindisch, sondern durchaus sympathisch-selbstironisch. Nun aber kenough der Worte.
Apropos sympathisch-selbstironisch! Argylle ist ein kurzweiliger Spaß in einem Agenten-Ambiente mit visuellen Highlights, einem (wie immer) wunderbar aufspielenden Sam Rockwell und einer wandelbaren Bryce Dallas Howard, die in einzelnen Szenen überraschende Momente fabrizieren. Argylle versucht durch die etablierte Metaebene das Agentengenre zu entzerren, bedient sich dabei in selbstreflexiver Weise den Stereotypen des Genres, um sie zu brechen und setzt die daraus sich entwickelnde Handlung in mehreren Twists ideenreich wieder zusammen. Der Film hinterlässt keine bleibenden Eindrücke. Aber das ist auch von vornherein gar nicht der Anspruch, denn der lautet ganz simpel: zu unterhalten. Nicht mehr und ganz bestimmt nicht weniger.
- Polizeiruf 110: Der Dicke liebt (2024)
Der Zufall spülte den neusten Polizeiruf 110 aus meiner alten Heimat auf den Bildschirm. Und wie bereits bei einem vorherigen Vertreter dieser Krimireihe bestand der detektivische Sinn meinerseits eher darin die Orte zu entdecken, an denen sich die Kriminal-Protagonisten tummelten, als sich dem Fall an sich zu widmen. Der Dicke liebt behandelt das Thema Kindsmord, was per se kein leichtes Pflaster ist, hier aber moralisch und inszenatorisch sensibel umgesetzt wird. Leider sind einzelne Figuren zu eindimensional uninteressant geschrieben und auch das Kommissar-Duo erfreut nur teilweise in ihrer (natürlich!) dysfunktionalen Charakterisierung. Immerhin versucht die Erzählweise einen innovativen Ansatz für die im Endeffekt nicht sonderlich neue Geschichte. Kein großer Wurf, für Krimifans aber unbedenklich anschaubar.
Kinokunst
Im dokumentarischen Stil beginnt der Film einer Gruppe von Kriegsreportern zu folgen, die sich in den Wirren eines Bürgerkrieges von Ort zu Ort bewegen, um im besten Fall das perfekte Bild zu schießen. Stets nah dran in den gefährlichsten Situationen begegnen ihnen Menschen verschiedenster Mentalitäten und ideologischer Weltbilder, fahren sie durch unversehrte, idyllisch-touristisch anmutende Landschaften, um Sekunden später in die nächste Schießerei verwickelt zu werden. Ihr Anspruch ist dokumentieren, nicht überzeugen. Schlussfolgerungen zu ziehen überlassen sie den Zuschauern – denen des Films und metaphorisch denen, die die geschossenen Bilder sehen werden. Civil War nutzt ein wohl bekanntes Sujet (Kriegsreporter in Krisenregion), etabliert wohl bekannte Figuren (die ausgelaugte, kriegsmüde Starfotografin versus die hungrige, ehrgeizige Jungreporterin) und lässt diese in zerstörtem, brennendem Kriegs-Setting interagieren. Der Clou des Ganzen: Wir befinden uns mitten in den USA! Und das lässt dich als Zuschauer alles Gezeigte in einer ungleich intensiveren Form rekapitulieren, hinterfragen und verarbeiten. Alex Garlands Werk ist wuchtig bebildert, famos besetzt und bis auf ein paar Längen zum Ende hin auf den Punkt genau erzählerisch inszeniert. Unbedingt anschauen!
Serienspektakel
Mein erster Gedanke zu The Bear: Woah! Das geht ja extrem wuselig, hibbelig, lautstark und niemals ruhig agierend los. Zu Beginn ist es schwierig diesem Potpourri aus Dialogen, Aktionen und Geschrei zu folgen, um so mehr und intensiver wirken dann wiederum die ruhigen, fast schon meditativen Momente der Serie. Jeremy Allen White kristallisiert sich schnell als Mittel- und Ankerpunkt heraus und serviert ein facettenreiches Schauspiel. Chicago und seine Menschen als Handlungsort wird präsent in die Geschichten eingewoben. Der Auftakt – oder die Vorspeise – schmeckt noch etwas gewöhnungsbedürftig, die Figuren bieten aber viel Potential zum Erzählen. Staffel 2 kann daher kommen.
- For All Mankind (Staffel 3)
Die dritte Staffel schmiedet neue Allianzen in einer noch fremderen Umgebung und lässt somit neben noch alten, offenen Konflikten, neue entstehen. Für Drama ist also wieder gesorgt, ohne dabei aber die Weiterentwicklung der Figuren zu vernachlässigen. For All Mankind schafft es erneut ein tiefes Vertrauen in die Charaktere zu etablieren, so dass der Verlust und die Offenbarungen der finalen Folgen jedem Zuschauer nahe gehen – sowohl freudig zustimmend als auch traurig dreinblickend.
Der heimliche Liebling in Staffel 3 von Upload? Owen Daniels als AI Guy! Großartig, was für Rollen er mit einer Inbrunst zum Leben erweckt. Die erhöhte Screentime für seine Figur kommt nicht von ungefähr. Ansonsten bewahrt sich die Serie ihren Charme aus konspirativen Verschwörungselementen, die es aufzuklären gilt und amüsant-lustigen Momenten. So langsam sollte sich die Geschichte aber zu einem plausiblen Ende entwickeln, bevor sie ihren Zenit, ohne es zu merken, überschreitet.
- Jessica Jones (die finale Staffel)
Geschafft! Die finale Staffel ist geschaut und ließ während des Konsumierens einige Fragezeichen entstehen. Zum einen liegt dies an nicht nachvollziehbaren, charakterlichen Änderungen einzelner Figuren (exklusive der titelgebenden, denn Krysten Ritter ist so grumpy unterwegs wie eh und je). Zum anderen entpuppt sich der eingeführte Antagonist als nicht besonders interessant oder einer Jessica Jones ebenbürtig. So endet die Serie mit der Hauptfigur, die in den Sonnenuntergang einer ungewissen Zukunft reitet. Whiskey trinkend, trostlos dreinschauend und charmant unterkühlt dahin schlurfend.